Wie nehmen wir Selfies wahr?

Bamberger Wissenschaftler untersuchen tausende Reaktionen auf Selfies und erstellen Kategoriensystem.

Seit Jahrhunderten nutzen Menschen Selbstportr?ts, um Informationen über sich selbst mitzuteilen – im Zeitalter der Smartphones ist das einfacher als je zuvor: Das eigene Selbstportr?t mit anderen zu teilen ist nur noch eine Sache von wenigen Klicks. Trotz der hohen Popularit?t von Selfies ist aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht klar, wie Menschen sie genau zur Kommunikation nutzen und wie andere Personen die Selfies wahrnehmen. ?Der Begriff Selfie feiert gerade seinen 21. Geburtstag. Selbstportr?ts sind in der Kunstgeschichte seit fast 200 Jahren in der Fotografie und seit mehr als 500 Jahren in der Malerei bekannt. Trotzdem fehlt uns immer noch eine klare Klassifizierung der verschiedenen Arten von Selfies“, stellt Tobias Schneider, Doktorand an der Bamberger Graduiertenschule für Affektive und Kognitive Wissenschaften, fest. Er ist Hauptautor einer Studie der Universit?t Bamberg, die jetzt in Frontiers in Communication erschienen ist, und die diese Forschungslücke schlie?en will. Die Wissenschaftler haben dafür tausende von Reaktionen auf rund 1.000 Selfies gesammelt und kategorisiert. Entstanden sind daraus fünf sogenannte semantische Profile, in die sich Selfies einteilen lassen.

Datensatz umfasst 1.001 Selfies 

Für ihre Studie erstellten die Wissenschaftler einen Selfie-Datensatz mithilfe der Datenbank Selfiecity. Dabei verwendeten sie ausschlie?lich Selbstportr?ts ohne Text, die mit einer Handykamera mit den eigenen H?nden oder einem Selfie-Stick aufgenommen wurden. Die verbleibenden 1.001 Selfies wurden in einer Standardgr??e auf einem einfarbigen grauen Hintergrund pr?sentiert. Die Wissenschaftler rekrutierten anschlie?end 132 Teilnehmer*innen online, denen sie mithilfe eines Algorithmus jeweils 15 zuf?llige Selfies pr?sentierten. Die Proband*innen waren dazu aufgerufen, ihre spontanen Reaktionen zu jedem Bild in fünf Begriffen festzuhalten. Die Forscher verarbeiteten diese Daten, um die ersten Eindrücke der Befragten in 26 feine Kategorien zusammenzufassen. Anschlie?end analysierten die Wissenschaftler, wie h?ufig diese Kategorien in den Antworten vorkamen und ob sie gemeinsam auftraten.

Ergebnis: Fünf semantische Profile

Diese Analyse ergab fünf verschiedene Cluster von Kategorien, in die sich Selfies einordnen lassen. Oder wie die Autoren sie nennen: ?semantische Profile“:

  1. ??sthetik“: Das gr??te Cluster enth?lt Bilder, die bei den Befragten Assoziationen zu Stil oder ?sthetischer Erfahrung hervorriefen.
  2. ?Imagination“: Das zweitgr??te Cluster zeigt Bilder, die die Befragten dazu verleiteten, sich in die Person hineinzuversetzen, um sich vorzustellen, was die Person auf dem Selfie gerade machte und wie sie sich dabei fühlte. 
  3. ?Charakterzug“: Das drittgr??te Cluster bezieht sich auf Bilder, die pers?nlichkeitsbezogene Begriffe bei den Befragten hervorriefen. 
  4. ?Gemütszustand“: Das Cluster kommt zwar insgesamt seltener vor, dennoch l?sten immer noch beachtlich h?ufig Bilder bei den Befragten Assoziationen zum Gemütszustand der auf dem Selfie abgebildeten Person aus.
  5. ?Theorie des Geistes“: Einige Bilder veranlassten die Befragten dazu, Vermutungen über die Motive oder die Identit?t der gezeigten Person anzustellen. 

?Die semantischen Profile stehen jeweils für eine ganz eigene Art der Botschaft, die mit den Selfies verbunden ist“, erl?utert Tobias Schneider. ?Die Cluster sind wie Archetypen der Kommunikation im digitalen Zeitalter zu verstehen.“ Die Forscher haben dadurch jetzt einen besseren Einblick, welche Bedeutung die Menschen verschiedenen Selfies zuschreiben. Die Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass die Befragten die visuelle Sprache aufgreifen, die die Selfie-Ersteller verwendeten, um verschiedene Aspekte von sich selbst zu kommunizieren – sei es ihre schlechte Laune oder ihr tolles Outfit. ?Das zeigt, dass wir nicht zwingend Worte brauchen, um ganz spezifische Nachrichten über uns selbst an die Au?enwelt zu senden“, sagt Schneider.

Novum: Mit pers?nlichen Berichten Selfies systematisch beschreiben

Frühere Studien besch?ftigten sich haupts?chlich mit der Bewertung von Selfies hinsichtlich visueller Merkmale oder begleitender Hashtags auf Social Media Plattformen. Die aktuelle Studie wechselt die Perspektive: ?Die meisten Forschungsarbeiten vernachl?ssigen die assoziativen Faktoren, die die Betrachter*innen im Kopf haben, wenn sie sich in unserer Selfie-orientierten Welt umsehen“, erl?utert Prof. Dr. Claus-Christian Carbon, Seniorautor der Studie und Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网 und Methodenlehre an der Universit?t Bamberg. ?Wir haben untersucht, was Selfies mit den Betrachterinnen und Betrachtern machen und welche Absicht sie hinter den Selfies erkennen.“

Die Wissenschaftler weisen jedoch auf Einschr?nkungen hin: Die semantischen Profile k?nnten m?glicherweise nicht weltweit auf die gleiche Weise ausgedrückt oder verstanden werden, sodass weitere Forschung erforderlich ist. ?Wir brauchen in Zukunft auf jeden Fall gr??ere, vielf?ltigere und kulturübergreifende Stichproben, um ein Bild davon zu bekommen, wie verschiedene Gruppen und Kulturen Selfies als kompakte Kommunikationsform nutzen“, sind sich die Autoren einig. Zudem planen sie für die Zukunft, ihre Forschung so auszuweiten, dass sie beide Perspektiven – die der Selfie-Ersteller*innen und jene der Rezipient*innen – einbeziehen k?nnen. Damit wollen sie herausfinden, ob die beabsichtigte Nachricht der Person auf dem Selfie auch in dieser Weise bei den Personen ankommt, die das Selfie betrachten.

Publikation: Schneider, T., Carbon, C. (2023). On the Semantics of Selfies (SoS). Frontiers in Communication.  https://doi.org/10.3389/fcomm.2023.1233100

Bereits vor einigen Jahren besch?ftigten sich die beiden Forscher damit, welche Eigenschaften ein perfektes Selfie aufweist. Mehr Informationen dazu unter: /presse/pm/artikel/selfie-studie/ 

Weiterführende Informationen für Medienvertreterinnen und -vertreter:

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Dipl.-Psych. Tobias Matthias Schneider
Lehrstuhl für Allgemeine 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网 und Methodenlehre
Tel.: 0951/863-2611
tobias(at)human-perception.com

Prof. Dr. Claus-Christian Carbon
Lehrstuhl für Allgemeine 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网 und Methodenlehre
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