Gro?er und Kleiner Rothenstein bei Stübig, Lkr. Bamberg
Bereits im Herbst 2003 war der Vorbereich des Gro?en Rothensteins (Abb. 1), eines markanten Jurafelsturms, Ziel einer kleinen Sondagegrabung, welche erste sichere Hinweise auf die rituelle Nutzung dieses Platzes erbrachte. Die beiden Felstürme, der sogenannte Gro?e und der nur gut 50 m südlich gelegene Kleine Rothenstein, befinden sich inmitten eines Steilhangs des R?telberges, etwa 600 m ?stlich des kleinen Dorfes Stübig. Schon seit den 1950er Jahren ist der Platz durch ehrenamtliche Sammler bekannt, welche an den Flanken einer ca. 8 x 8 m gro?en, relativ ebenen Fl?che zahlreich keramisches Fundgut bergen konnten. Da für eine Siedlung die Fl?che v?llig unzureichend war und die naturr?umliche Imposanz der Felsen für sich spricht, war die Annahme einer urgeschichtlichen rituellen St?tte nahezu zwanghaft. Gerade solche Orte stellen allerdings europaweit ein Forschungsdesiderat dar, da sie meist abgelegen und exponiert stehend nicht von den üblichen Rettungsgrabungen betroffen sind. Dass sie dennoch einer extremen Gef?hrdung unterliegen, zeigen die Rothensteine umso deutlicher. Neben mehreren kleinen Raubsch?chten, welche auch in diesem Landstrich die Existenz krimineller ?Schatzsucher“ anzeigen, ist es vor allem die natürliche Erosion, die, begünstigt von der Topografie und dem stetigen Beg?ngnis durch die vielen Bergsteiger, das Fundmaterial die H?nge hinabflie?en l?sst. Die Professur für Ur- und frühgeschichtliche Arch?ologie der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg führte daraufhin eine zweiw?chige Lehr- und Forschungsgrabung durch, welche erstmals beide Felstürme betraf.
Wichtigster Untersuchungsbereich bildete der ?stliche, ebene Vorplatz des Gro?en Rothensteins, wobei der schmale Suchschnitt der Sondage 2003 auf insgesamt 38 m2 erweitert wurde. Die noch zwischen 20 und 40 cm m?chtige Fundschicht, welche aus einem meist schw?rzlichen, mullartigen Boden mit eingelagerten Keramikfragmenten, Knochen und Steinartefakten bzw. -bruchstücken bestand, lag einer natürlichen Kalkverwitterung bzw. zerklüfteten Dolomitbl?cken auf. Insgesamt konnten in diesem Schnitt 5949 Scherben (32,144 kg), 962 Knochen (2,92 kg), 129 Felsgesteinartefakte bzw. -splitter (1,6 kg), 159 Sandsteinartefakte bzw. deren Bruchstücke (5,285 kg) sowie lediglich 15 Silices (48 g) ergraben werden. Um das Fundmaterial optimal auswerten zu k?nnen, erfolgte eine Erfassung in m2-Quadranten und 10 cm m?chtigen Straten.
Die frühesten Funde, abgesehen von einem einzelnen früh- oder mittelneolithischen Dechsel, welcher jedoch als Sekund?robjekt in einer sp?teren Epoche an diesen Platz gelangt sein kann, sind der Kultur mit Schnurkeramik zuweisbar. Typologische Vergleiche mit der Siedlung von Wattendorf-Motzenstein und das 14C-Datum (Poz-6828) eines Schweineknochens deuten tendentiell auf eine Zeitstellung in das 26. vorchristliche Jahrhundert. Neben Keramikscherben von T?pfen, Bechern und Amphoren, die stark fragmentiert waren und sich nahezu nie zusammensetzen lie?en, ist das Auftreten von amphibolitischem Felsgestein, bemerkenswert. Neben je zwei Halbfertigprodukten und Bohrkernen fanden sich auch mehrere Splitter, welche evt. Waffen- bzw. Werkzeugherstellung vor Ort anzeigen k?nnten. Als Alternative stünde die These der Opferung von Produktionsrückst?nden zur Diskussion, welche jedoch wegen des Vorhandenseins der Splitter weniger plausibel erscheint. Der zeitlich n?chste Fundniederschlag l?sst sich in der Frühbronzezeit fassen, wobei die Fundmenge deutlich zurückgeht. Hierzu passte eine der beiden 14C-Analysen, welche Daten der tiefsten und durch die jüngeren Metallzeiten ungest?rten Straten liefern sollte. Der Rothirschknochen erbrachte im 2-Sigma-Intervall eine Zeitstellung zwischen 1880 und 1610 v. Chr. (Poz-6829). Der Hauptanteil des Fundgutes ist der sp?tbronzezeitlichen Periode, also der Bronzezeit D und der Urnenfelderzeit zuzuordnen. Neben Scherben von T?pfen, Schüsseln und Schalen sind drei t?nerne ?Stempel“ der sp?ten Urnenfelderzeit hervorzuheben, welche mit ihrer Symbolik auf einen rituellen Bedeutungsinhalt verweisen. Wozu diese Gegenst?nde tats?chlich genutzt wurden, bleibt ungewiss, allerdings erscheint ein ?Bestempeln“ von Nahrungsmitteln wie z.B. Brotteig oder Butter durchaus vorstellbar. Nach einem erneuten Hiatus von ca. 350 Jahren war der Ort erst wieder am ?bergang von der Sp?thallstatt- zur Frühlatènezeit Ziel anthropogener Aktivit?ten, was das keramische Formengut belegt. In diesem Zeitraum wurde offenbar auch eine ca. 80 cm tiefe Grube in den anstehenden Kalkverwitterungshorizont gegraben, worauf das Fundmaterial dieser Periode hindeutet (Abb. 2). Als letzte Nutzungsepoche ist die Sp?tlatènezeit anzuführen, welcher neben einer schon 2003 geborgenen, unvollst?ndigen Fibel vom Typ Nauheim Reste von kammstrichverzierter und mit Graphitton gemagerter Keramik sowie ein Miniaturgef?? angeh?ren.
Im Gegensatz zum bislang einzigen untersuchten Vergleichsfundplatz, der ?Schellnecker W?nd“ bei Altessing, wo ein hoher Anteil an sekund?r gebrannter Keramik auffiel, trifft dies für die Rothensteine nach erster Begutachtung des Fundmaterials nicht zu. Auch die zahlreichen Tierknochen, welche Reste von Opferspeisen oder ?berbleibsel ritueller Mahle darstellen dürften, sind zum überwiegenden Anteil unverbrannt, aber h?ufig stark zertrümmert. Hier bleibt allerdings das arch?ozoologische Gutachten abzuwarten. Bereits vor vier Jahren konnte durch Bamberger Arch?ologiestudenten mittels Scherben aus kleinen Spalten vom Gipfelplateau bewiesen werden, dass schon in den Metallzeiten Gef??e auf den Felsturm bef?rdert worden sind. Ob man diese in urgeschichtlicher Zeit, ?hnlich wie im Fall der ?Schellnecker W?nd“ vermutet, bewusst vom Felsen warf, k?nnte unter Umst?nden die akribische Fundverteilungsanalyse erbringen. Eine andere M?glichkeit w?re, dass man das Geschirr samt Inhalt auf dem Felsen belie? und dieses sp?ter durch die Witterung herabstürzte. Ziel neben solcher Fragen wird es sein, die Nutzungshorizonte feinchronologisch herauszufiltern sowie Unterschiede in der Behandlung des Fundmaterials aufzuschlüsseln.
Auf der gegenüber liegenden Westseite des Gro?en Rothensteins befindet sich ein kleiner, abriartiger Felsvorsprung, der heute eine Fl?che von ca. 9 x 2 m schützt (Abb. 3). Eine Sondage von 1,5 x 1,5 m Gr??e sollte kl?ren, ob sich auch hier Spuren urgeschichtlicher Nutzung erhalten haben. Nach Abgraben einer etwa 50 cm m?chtigen Dolomitschuttschicht fand sich mit einer ca. 10 cm starken, holzkohlehaltigen Schicht ein erstes Begehungsniveau, dessen Fundmaterial der R?mischen Kaiserzeit und der Sp?tlatènezeit angeh?rte. Wiederum durch eine sterile Schuttschicht von etwa 20 cm getrennt, lie? sich darunter ein ca. 10 cm m?chtiger, hallstatt- bis frühlatènezeitlicher Nutzungshorizont aufdecken, von dem sich eine ca. 1,2 m lange und 0,4 m tiefe Grube in ein weiteres Schuttpaket einschnitt (Abb. 4).
Da der Sondageschnitt die Grube nicht vollst?ndig erfasste, kann die Breitenausdehnung erst in einer für 2008 geplanten, gro?fl?chigeren Untersuchung festgestellt werden. Interessant ist der Inhalt der Grube, der aus einer unvollst?ndigen, umgestülpten Schüssel der Frühlatènezeit, vielen Einzelscherben unterschiedlicher Gef??e der Hallstatt- und Frühlatènezeit, einem gro?en Mahlsteinbruchstück aus Quarzit, einem eif?rmigen Klopfstein aus Kalkstein, einem weiteren, klopfsteinartigem Artefaktfragment aus einem Flussger?ll und einer gr??eren Anzahl von Tierknochen bestand (Abb. 5). Alles war mit einem fast 1 m langen Dolomitstein überdeckt.
M?glicherweise handelt es sich bei dem Befund um eine rituelle Deponierung, was auch auff?llige Ritz- bzw. Schnittspuren an mehreren Knochen nahe legen (Abb. 6). Die Knochen waren nicht mehr im anatomischen Verband und sind wohl auch mehreren Tieren zuzuweisen. Allerdings k?nnten gr??ere Teile eines Schafes oder einer Ziege vertreten sein. Des Weiteren fand am Kleinen Rothenstein im Bereich des kleinfl?chigen, ebenen Vorplatzes an der Westseite, von dem ebenfalls Lesefunde stammten, eine arch?ologische Untersuchung statt, welche ein max. 50 cm m?chtiges Sediment mit vereinzelten Fundansammlungen erbrachte. Allerdings ist hier die Funddichte deutlich geringer und gerade die am Nachbarfels so dominierende urnenfelderzeitliche Keramik ist nach einer ersten Sichtung nicht vertreten. Dagegen lassen sich schnurkeramische, frühbronzezeitliche und sp?thallstatt-/frühlatènezeitliche Scherben sowie bislang undatiertes Knochenmaterial anführen. An diesem Platz lassen sich schon durch Fundverteilung und Fragmentierung andere Vorg?nge als am Gro?en Rothenstein vermuten. Hier deutet sich m?glicherweise an, dass Gef??e und organisches Material am Felsfu? abgestellt oder intentionell zerscherbt worden sind.
Auch wenn sich die genauen, geistigen Hintergründe der urgeschichtlichen Aktivit?ten arch?ologisch nicht mehr erschlie?en lassen, so zeigen doch schon die ersten Grabungsergebnisse die Anwendung ritueller Praktiken, welche offenbar epochenabh?ngig gewisse Unterschiede aufweisen kann. Hier befinden wir uns jedoch erst am Anfang und eine mühevolle, aber sicher spannende Kleinarbeit steht bevor. Als sicher sollte gelten, dass die Stübiger Rothensteine ein ?starker“ und beeindruckender Ort durch die Zeiten waren und für diejenigen, welche diesen Platz erst einmal entdeckt haben, auch bleiben.
Timo Seregély
(Artikel publ. in: Das Arch?ologische Jahr in Bayern 2007 (Stuttgart 2008) 38-41.)