Interdisziplin?res Nachwuchskolloquium: Gemeinsames medi?vistisches Kolloquium der Universit?ten Bamberg, Bayreuth, Gie?en, Chemnitz, Karlsruhe und Braun-schweig zum Thema: ?Utopieentwürfe, Idyllen und loci amoeniim Mittelalter“

Organisation: Prof. Dr. Gesine Mierke/Dr. Christoph Schanze
Karlsruhe, 17./18. Januar 2025

Mit Epidemien, Klimakrisen, Kriegen und politischen Unruhen leben wir in turbulenten Zeiten. In solchen
Zeiten gedeiht der Wunsch nach Sicherheit und Rückzügen ins Idyll, zugleich aber die Einsicht, dass das Ideal
stets unerreichbar bleibt. Es reagiert insofern durchaus auch auf die Zeit- und Gesellschaftslage, wenn sich
das n?chste BaBaGiCheKaBra-Kolloquium mit Texten und Konzepten auseinandersetzen will, die historisch
und literarisch (bessere) Alternativen entwerfen. Diese k?nnen zeitlich und r?umlich verortet oder auch
outopisch im Sinne von ortlos sein: der weitgefasste Titel soll ebenso Raum für Diskussionen über alternative
politische, soziale und ?konomische Modelle und Gemeinschaften bieten wie auch für ideale Naturr?ume und
-darstellungen. Als Einschnitt in die Geschichte der Utopien gilt die ?Utopia“ des Thomas Morus. Auch wenn
die mittelalterliche Literatur die Gattung als solche noch nicht kennt, gibt es doch das diskursive Konzept ante
verbum und eine Vielzahl von Texten, die ?Mikroutopien“ im Sinne diesseitig gedachter Idealorte entwerfen.
Mit (u.a.) Tomas Tomasek zeichnen sich mittelalterliche Utopien bzw. Utopieentwürfe durch innerweltliche
Verortung, markierte Grenzen und eine besondere Form von Zeitlichkeit aus. Diese (Nicht-)Orte befinden
sich in meist gr??erer, aber erreichbarer Distanz zur im Text als vertraut markierten Welt und beherbergen
eine ebenfalls von der bekannten Ordnung abweichende soziale Gemeinschaft, die der eigenen als anders und
wom?glich besser gestalteten gegenübergestellt wird. Utopische Gemeinschaften k?nnen entweder in der
Gegenwart des Erz?hlten noch Bestand haben oder bereits untergegangen sein. Die Darstellung und Ziehung
der Grenzen, die Perspektivierung der Darstellung und die narrative Funktion k?nnen ganz unterschiedlich
ausgepr?gt sein. Auch kirchliche und monastische Reformprogramme lassen sich als Utopien lesen.
Für das kommende Kolloquium sollen utopische Orte fokussiert werden, die in Abgrenzung zu den blo?en
?Andersorten“ zus?tzlich mit politischen, religi?sen oder sozialen Gegenentwürfen aufgeladen werden – und
zwar in der gesamten Spannbreite zwischen Idealisierung und Dystopie. Neben den programmatischen
Zielsetzungen lassen sich zun?chst die Orte selbst analysieren: Gebirge und T?ler, W?lder, G?rten und H?hlen
k?nnen utopisch oder dystopisch konnotiert sein. Zu finden sind sie in unterschiedlichsten Textsorten:
Legenden, Antikenromanen, Abenteuerromanen, Reiseberichten (faktual wie fiktional), Minne- und
Tageliedern, ja sogar Chroniken (das Reich des Presbyters Johannes).
Wie die Utopie kann der locus amoenus, das Idyll, durch eine Grenzziehung markiert sein. Neben
?natürlichen“ Idyllen gibt es auch vom Menschen gemachte wie G?rten. Nach antikem Vorbild verhei?en
solche Orte Liebe, Freude oder gar ?Goldene Zeitalter“; zumal G?rten als Orte poetischer Selbstreflexion und
Imagination fungieren, die vielf?ltige Auspr?gungen haben k?nnen: als Sehnsuchtsorte, als Hort der
Zivilisation, als bukolische Lustorte oder halboffene Zwischenr?ume der Hofkultur, als Nischenr?ume für
Liebesgest?ndnisse oder illegitime Liebe, als m?rchenhafter Feengarten. Für die Naturdarstellungen gilt es,
die topisch-allegorische Ebene stets mitzubedenken. Der Titel ?ffnet ein breites Spektrum für historische und
literatur-wissenschaftlich-medi?vistische Beitr?ge. Folgende Fragestellungen und Themenfelder sollen als
Inspiration für themenspezifische Vortr?ge dienen, daneben begrü?en wir auch andere innovative Beitr?ge,
die sich mit Utopien, Idyllen oder loci amoeni auseinandersetzen: Raumnarratologie und -poetik: Grenze und
Grenzüberschreitung; (un)überwindbare Hindernisse, Ordnung und Unordnung: Die innere Struktur der Orte,
ihr Bezug zur gewohnten Ordnung, Alterit?tskonzepte, Ekphrasis: Die Faktur literarischer Sehnsuchtsorte,
Politisch-gesellschaftliche Funktionen, Utopie und Reiseliteratur und Dystopien und trügerische Idyllen.